NEU! Der „Förderpreis des Netzwerks“

Schon 72 Preisträgerinnen gehören zum Netzwerk der GOLDENEN BILD der FRAU. 72 Frauen, die wir in den letzten 15 Jahren geehrt haben und die für unendlich viel Kompetenz, Mut und Leidenschaft stehen. Jetzt zeichnet dieses Starke-Frauen-Netzwerk erstmals ein eigenes Projekt aus: Das „Familienhörbuch“ von Judith Grümmer

Judith Grümmer: Mikro, Laptop und Kopfhörer sind ihre Werkzeuge © privat

Die GOLDENE BILD der FRAU … für Judith Grümmer!

Judith Grümmer aus Köln wird am 20. Oktober im „Stage Theater Neue Flora“ den „Netzwerkpreis der GOLDENEN BILD der FRAU“ erhalten. Für ein noch junges Projekt, bei dem man sofort einen Kloß im Hals hat: Die 63-jährige Kölnerin erstellt „Familienhörbücher“. Sie gibt sterbenden Eltern eine Stimme. Intensive Gespräche, unendlich viel Liebe zum Detail: Wenn Judith Grümmer ein Familienhörbuch aufnimmt, taucht sie ab in das Leben eines sterbenskranken Elternteils. Stundenlang sitzt sie mit der Mutter zusammen, die weiß, dass sie bald gehen muss. Oder mit dem todkranken Vater. „Manchmal wird es traurig, manchmal ernst, aber auch ganz oft lustig“, erzählt die gelernte Radio-Journalistin. „Am Ende überwiegt fast immer die Dankbarkeit für das Leben.“ Der erste Kuss, die Tanzstunde, die großen und kleinen Geheimnisse – alles kommt aufs Band. „Oft fällt es den Menschen leichter, sich einer Fremden gegenüber zu öffnen“, sagt Judith Grümmer, „wie auf einer Bahnfahrt, wenn man mit seinem Sitznachbarn ins Plaudern gerät.“ Nur, dass aus diesem Gespräch ein Hördokument wird, ein persönliches, liebesvolles Hörbuch, bis zu 15 Stunden lang – eine gesprochene Erinnerung für die minderjährigen Kinder, die zurückbleiben. „Es gibt kaum etwas Einzigartigeres und Schöneres als die menschliche Stimme“, erklärt Judith Grümmer. „Die Stimme der Mutter ist das Erste, was ein Baby im Mutterleib wahrnimmt.“ Stirbt ein Elternteil, verstummt diese Stimme, Erinnerungen gehen verloren. „Ich möchte beides bewahren. Damit die Kinder auf ihrem Lebensweg immer wieder Antworten bekommen auf die Frage: „Wer warst du, Mama?“ oder „Was, Papa, war dir wichtig?“

Bei jeder GOLD-Gala treffen sich die Preisträgerinnen wieder ©Kirchhof

So wie Paola. Ihre Mutter Sandra ist die Erste, mit der Judith Grümmer ein „Familienhörbuch“ aufnimmt. „Ihr Brustkrebs war nicht mehr zu behandeln, als wir uns kennenlernten. Sie war dabei, sich zu verabschieden.“ Ein gemeinsamer Freund bringt die beiden zusammen. „Paola war damals gerade neun Jahre alt“, sagt Judith. Stunde um Stunde sitzen die beiden Frauen zusammen, behutsam führt Judith die Todgeweihte durch ihr Leben. Mehrere Tage lang. Es wird gelacht, geweint, gestaunt. „Am Ende hatten wir etwas geschaffen, das Sandras Leben feiert und das für ihre Tochter Paola ein unbezahlbarer Schatz ist“, berichtet Judith. „Heute ist Paola 16 Jahre und erzählt, dass sie sich immer wieder einzelne Kapitel anhört. Dass das Hörbuch ihr Begleiter durchs Leben geworden ist.“ Denn auch wenn Paola nicht mehr mit ihrer Mama sprechen kann: Sie kann ihr dank Judiths Einsatz immer noch zuhören. Mehr als 100 Hörbücher sind so bisher entstanden. Seit 2019 ist das „Familienhörbuch“ eine gGmbH, das Angebot ist für Betroffene kostenlos, finanziert sich über Spenden. Und das Team um Judith wächst: Toningenieure, Tontechniker, Musiker – alle helfen mit, diese einmaligen Erinnerungsstücke zu erschaffen. „Leider können wir längst nicht alle Anfragen erfüllen“, bedauert Judith. 30000 bis 40000 Eltern bekommen jedes Jahr eine tödliche Diagnose.

Zur Abstimmung über den Preis traf sich das Netzwerk digital ©Schacht

Die Uniklinik Bonn, die die Wirkung des Hörbuch-Erzählens auf die Patienten untersucht hat, wählt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Judiths Projekt aus. „Manchmal kommen die Menschen für die Gespräche zu uns, manchmal gehen wir ins Hospiz.“ So wie bei einer jungen Frau, die bereits im Sterben lag, sehr starke Beruhigungsmittel bekommen hatte. „Um das Hörbuch aufzunehmen, ließ sie sich kurz aufwecken. Sie wollte ihrem kleinen Kind unbedingt noch etwas Persönliches hinterlassen“, erzählt Judith Grümmer. „Wir hatten zwei Stunden. Es war wirklich bewegend. Sie hat ihre ganze Kraft, ihre ganze Liebe in diese Worte gelegt.“ Wenig später stirbt die junge Frau. Aber ihrem Kind bleibt die Stimme der Mutter. „Ich liebe, was ich tue“, sagt Judith Grümmer. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich 30 Jahre lang auf das vorbereitet habe, was ich jetzt mache. Und dass nun beginnt, was ich wirklich tun will.“ Zaubern kann sie nicht. Der Verlust, der Abschied bleibt. Aber sie hält Stimmen und Erinnerungen fest, schmiedet so ein Band zwischen Eltern und Kind – für die Ewigkeit. CATHRIN BACKHAUS

  • Der „Förderpreis des Netzwerks der GOLDENEN BILD der FRAU“ ist auf 10 000 Euro dotiert, gestiftet von der Deutschen Postcode Lotterie. Dazu kommt der unbezahlbare Rückenwind, den das Projekt durch den Rat und die Unterstützung der bisherigen GOLDENE BILD der FRAU-Preisträgerinnen erhält.

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