Project Description

Andrea Krull (57)

„Ich gebe Patientinnen eine starke Stimme“

Vor zehn Jahren bekommt Andrea die Schock-Diagnose Eierstockkrebs – und merkt schnell: Die Krankheit ist ein Tabu, betroffene Frauen sind kaum vernetzt, um Fragen oder Ängste austauschen zu können. Noch während ihrer Chemotherapie ändert die Schleswig-Holsteinerin diesen Missstand

Bis Weihnachten wird sportlich“ – vier Worte, die für Andrea Krull der größte Schock ihres Lebens sind, aber auch der Start für unfassbar Großes. Andrea hört sie im Juni 2013, die Diagnose gibt ihr noch rund sechs Monate zu leben: Sie hat Eierstockkrebs, hoch aggressiv, schon Metastasen. „Ich war ja
noch so jung“, erzählt sie. „47 Jahre alt, mein Sohn 13.“ Die Lehrerin aus Neumünster in Schleswig-Holstein stemmt sich gegen die Krankheit: Chemotherapie, Bestrahlung, Yoga, Ernährung … Irgendwann, sie ist noch mitten in der Chemotherapie, sieht sie im TV eine Doku mit Anke Engelke: „Es ging um die Kraft des gemeinsamen Singens. Wie sehr es Stress abbaut, Glückshormone freisetzt, eine Gemeinschaft wachsen lässt. Ich wusste sofort: Das ist es!“ Andrea gründet „Jetzt oder nie!“, den Chor für Krebskranke und deren Angehörige. Sieben Frauen sind es anfangs, heute treffen sich über 80 Menschen immer donnerstags. Zeilen wie „Da ist noch so viel Hoffnung in dir“ oder „Ich kämpf’ mich durch zum Horizont“ erfüllen dann den Probenraum – und noch so viel mehr: tiefes Verständnis, Lebensmut, Entschlossenheit, Kraft, Trauer, Freude. „Inzwischen singen auch Ärzte, Sterbebegleiter, Physiotherapeuten, Krankenschwestern mit“, erzählt Andrea strahlend. „Ein großartiges Netzwerk, das Informationen teilt, sich gegenseitig hilft – und gemeinsam beides zulässt: Traurigkeit und Fröhlichkeit.“ Und es ist nicht das einzige Netzwerk, mit dem die Powerfrau für mehr Austausch und Informationen zu der Krankheit sorgt: Fast zeitgleich zum Chor startet sie die erste Selbsthilfegruppe für erkrankte Frauen in Schleswig-Holstein, inzwischen gibt es in ganz Deutschland 21 davon. 2016 gründet sie zudem den „Verein Eierstockkrebs Deutschland e. V.“, klärt als Vorsitzende in Praxen, Schulen, auf Kongressen auf, lässt Info-Broschüren drucken, gibt Workshops, bildet „Onkolotsinnen“ aus und ruft Aktionen wie die „Grüne Socke“ ins Leben: Frauen spenden Strick-Strümpfe für gynäkologische Krebs­patientinnen. Sie werden in Kliniken verteilt, wärmen Füße und Herz, kommen mit fundiertem Info-Material und der Botschaft: „Du bist nicht allein.“ Ein unglaublich wichtiges Gefühl: „Ohne all die großartigen Menschen, die in schweren Zeiten für mich da waren“, sagt Andrea, „hätte ich es nicht geschafft.“ Rund 8000 Frauen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Eierstockkrebs, etwa 60 Prozent sterben daran. Andrea will das nicht hinnehmen: „Ich will, dass man uns sieht, dass man uns hört.“

Zehn Jahre sind seit ihrer Diagnose vergangen. Neun Weihnachtsfeste hat sie seitdem gefeiert, das Leben Tausender Frauen verändert. Und manchmal auch gerettet.

Stand 2023

Infos: www.eskd.de, www.gynkd.de
Spenden: DE02 2169 0020 0003 2090 59

Unsere Preisträgerinnen 2023